Liebe Rebell:innen,

Es mag schwierig sein, in diesem Jahr Festtagsstimmung aufkommen zu lassen. Abgesehen von der Pandemie haben wir einen zunehmenden Zusammenbruch der Ökosysteme, stetig steigende CO2-Emissionen, eine anhaltende Untätigkeit der Regierungen und ein vorhersehbar enttäuschendes Ergebnis der COP26 erlebt. In der Schweiz ist selbst die Verabschiedung der bescheidenen Massnahmen des CO2-Gesetzes an der Urne gescheitert.

Auch die jüngsten Nachrichten sehen nicht vielversprechend aus. Allein in den letzten Wochen wurde eine UN-Resolution, die die Klimaerwärmung mit internationalem Frieden und Sicherheit in Verbindung bringen wollte, mit einem Veto belegt. Zugleich haben neue Forschungen gezeigt, dass einer der wichtigsten Gletscher in der Antarktis viel näher am Zusammenbruch ist als befürchtet, was zu einem rapiden Anstieg des Meeresspiegels führen wird. 

Genau weil die Lage so dramatisch ist, wollen wir uns trotzdem die Zeit nehmen, um zu würdigen, was normale Menschen dieses Jahr durch zivilen Widerstand  erreicht haben. Im Oktober wurden 200 Menschen auf den Strassen von Zürich verhaftet, weil sie sich entschieden hatten, für das Richtige einzutreten. Daraufhin beschlossen hunderte von Menschen, beim organisieren der nächsten Phase der Rebellion mitzuhelfen. Der Sieg besteht hier nicht aus Zugeständnissen oder politischen Veränderungen, sondern aus einer verstärkten Mobilisierung und Sichtbarkeit. Auch das ist ein Sieg, der gefeiert werden soll!

Am Ende des Jahres 2021 ist es also an der Zeit, einen Blick auf einige bemerkenswerte Errungenschaften der zivilen Widerstandsbewegung in der Schweiz und im Ausland zu werfen. Nimm Dir einen Moment Zeit, um mit Deinen Freund:innen zu feiern, bevor Du das neue Jahr mit frischer Entschlossenheit beginnst, bereit für die Arbeit, die noch bevorsteht und die vielen Siege, die noch nötig sind.

Mit Liebe und Wut,
Sanja, Frank und Marie für das Newsletter-Team


Das hat die Rebellion dieses Jahr in der Schweiz erreicht

Es stimmt, die Forderungen der Rebellion wurden im Oktober nicht erfüllt. Aber wenn man das Ergebnis nur instrumentell betrachtet, verpasst man die wichtigsten Erfolge. Was hat also die Rebellion in diesem Jahr in der Schweiz erreicht? 

  • 200 Leute wurden verhaftet, weil sie beschlossen hatten, für das Richtige einzutreten. Sie und hunderte von anderen, die mitgemacht hatten, haben Mut, Entschlossenheit, Ruhe und Aufrichtigkeit bewiesen. Indem sie die Zürcher Behörden massiv unter Druck setzten, haben sie gezeigt, dass ziviler Widerstand funktioniert.
  • Davon inspiriert, schlossen sich rund 100 Personen den Arbeitsgruppen und verschiedenen lokalen und Affinitätsgruppen in der ganzen Schweiz an. Die Kampagne hat die Bewegung in die Lage versetzt, weiter zu eskalieren - das ist ein grosser Erfolg!
  • Die Medien berichteten in mehr als 500 Artikeln und Mitteilungen in der ganzen Schweiz über die Rebellion. Die Menschen erfuhren von der Rebellion gegen das Aussterben. Sie sahen friedliche Menschen jeden Alters, die bereit waren, sich verhaften zu lassen, weil es ihnen wichtig ist. Dieses neue Bild, von Extremisten bis hin zu Grossmüttern, die auf der Strasse sitzen, hat wahrscheinlich dazu beigetragen, die Unterstützung der Bevölkerung für die Rebellion zu gewinnen - und auch das ist ein Sieg!
Die Bewegung wächst - und damit auch das Schulungsangebot, um sicherzustellen, dass die neuen Rebell:innen gut integriert sind und sich als Teil von etwas Grossem fühlen - nimm auch Du teil daran!
  • Online Willkommenstreffen am 5. Januar:  Macht dir die Klimakatastrophe Angst? Willst du dich der Rebellion anschliessen, weisst aber nicht genau wie? Dann ist dieses Treffen genau das Richtige für Dich!  Melde dich hier an. *Hinweis: Ein ähnliches Treffen findet alle zwei Wochen statt!

  • Training zum zivilen Widerstand - Einführung in die Strategie der Rebellion: Was ist ziviler Widerstand? Was sind die Faktoren, die zum Sieg führen? Und welche Prinzipien und Mittel der gewaltfreien Aktion können eingesetzt werden, um erfolgreich zu sein? Dieses Training richtet sich vor allem an Personen, die an der Organisation des Aufstands beteiligt sind oder sich daran beteiligen wollen. Sie findet statt

Und für die Rebell:innen in Lausanne: Verpasst nicht die Rebellionsakademie vom 7. bis 9. Januar und das Willkommenstreffen am 15. Januar!


Der Sieg von Guillermo

39 Tage lang hat Guillermo Fernandez auf dem Bundesplatz in Bern gesessen und mit einem Hungerstreik für das Klima seiner Kinder gekämpft. Er begann alleine, aber er blieb nicht alleine. Tag für Tag zeigten mehr Menschen ihre Unterstützung und schlossen sich seinen Forderungen an, von besorgten Grosseltern auf der Strasse bis zu weltbekannten Klima- und Biodiversitätsforscher:innen. Zwölftausend Menschen unterzeichneten seine Petition, und am Samstagabend versammelten sich Hunderte in Bern, um gemeinsam mit ihm eine Kerzenwache abzuhalten, während Menschen auf der ganzen Welt aus Solidarität einen Tag oder länger fasteten. Am 9. Dezember mussten die Politiker schliesslich einlenken.

Am 2. Mai 2022 werden die eidgenössischen Räte von den Wissenschaftlern des IPCC und des IPBES direkt über das Ausmass des Klimazusammenbruchs und der Biodiversitätskrise informiert, wie es Guillermo gefordert hatte. Von diesem Tag an werden sich die Schweizer Politiker:innen bewusst sein, welchen Schaden sie mit ihren Entscheidungen anrichten und was nötig ist, um eine sicherere Zukunft zu garantieren. Guillermo wird weiterleben und den Kampf fortsetzen, zusammen mit all den Menschen die ihn unterstützt haben und die durch seine Aktion berührt und zum Handeln bewegt wurden. Dies ist ein klarer und vollkommener Sieg. Die Welt hat sich für immer verändert, nicht nur wegen dem, was diese Menschen konkret erreicht haben, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie die Welt von nun an weiter gestalten werden.

Willst du mehr über Guillermos zukünftigen Kampf erfahren und über seine Forderungen zur Ausrufung eines klima- und umweltpolitischen Notstands, zum Verbot der Finanzierung der fossilen Industrie, zu Netto-Null-Emissionen bis 2030 sowie zur Klima- und sozialen Gerechtigkeit? Dann besuche seine Website


Siege im Ausland - der zivile Widerstand wächst

Die Rebellion in der Schweiz steht nicht alleine da. Immer mehr Rebell:innen auf der ganzen Welt haben im vergangenen Jahr direkte Aktionen durchgeführt. Das Jahr 2021 war ein Jahr von massivem Wachstum für die Unterstützung ziviler Widerstandsbewegungen.

Die Extinction Rebellion hat an vielen Orten auf der ganzen Welt neue Chapter gegründet, zuletzt in Marokko und im Kosovo. In der Zwischenzeit haben die Rebell:innen einige wirklich spektakuläre Aktionen inszeniert: Wer könnte die riesigen rosa Stühle und Tische bei der Impossible Rebellion in London im August vergessen? Andernorts haben sich schwedische Rebell:innen an Flugzeuge auf der Startbahn in Malmö geklebt, spanische Rebell:innen sind in Madrid auf die Strasse gegangen, Rebell:innen in Nigeria, Ecuador und Brasilien haben sich den Behörden widersetzt, und vor kurzem hat eine Gruppe von Rebell:innen in den USA die Lieferzentren von Amazon gestört, um sich gegen den übermässigen Konsum und für die Solidarität mit den streikenden Arbeitern einzusetzen. 

Besonders ermutigend ist, dass sich neue Gruppen bilden, die mit zivilem Widerstand, direkten Aktionen und manchmal drastischen Massnahmen für Klimagerechtigkeit eintreten. In Deutschland führten die Teilnehmer:innen von The Last Generation einen Hungerstreik durch, der fast einen Monat dauerte und ihnen schliesslich eine öffentliche Diskussion mit Bundeskanzler Olaf Scholz einbrachte. Gestärkt durch diese Aktion werden sie eine neue Kampagne starten, in der sie mit äusserst disruptiven Taktiken das Ende der Lebensmittelverschwendung und eine drastische Veränderung des Agrarsektors fordern. In Italien blockiert die ähnlich benannte Ultima Generazione, eine von Extinction Rebellion Italy unterstützte Kampagne, wichtige Strassen in Rom, um Bürgerversammlungen zu fordern. In Australien seilten sich Demonstrant:innen von Blockade Australia von Kohleumschlagmaschinen ab und störten den grössten Kohlehafen der Welt in Newcastle. Im Vereinigten Königreich hat Insulate Britain Strassen in London blockiert, u. a. rund um das britische Parlament, sowie wichtige Autobahnen, während sie sich für die Wärmedämmung von Wohnungen einsetzten. 

Natürlich gab es als Folge dieser direkten Aktionen eine Menge Repressionen - das neue britische Polizeigesetz ist ein erschreckendes Beispiel dafür - aber es gibt auch Anzeichen, dass sich die öffentliche Meinung wendet. Man denke nur an den Freispruch durch ein Geschworenengericht für die Demonstrant:innen von Extinction Rebellion UK, die die Pendlerzüge in London lahmgelegt hatten, oder an die kürzliche Freilassung des blinden Paralympioniken James Brown auf Kaution, nachdem er gegen seine 12-monatige Haftstrafe Einspruch eingelegt hatte. Diese hatte er erhalten, weil er sich an der Spitze eines Flugzeugs auf dem Londoner City Airport festgemacht hatte. Selbst in der Schweiz gibt es mit dem Freispruch der Klimastreik-Aktivist:innen, die 2020 eine UBS-Filiale in Lausanne besetzt hatten, Zeichen der Hoffnung.

Solche Geschichten versprechen, dass mutige direkte Aktionen in naher Zukunft als das angesehen werden, was sie sind: ein Akt des Heldentums und der Verzweiflung, um eine drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Kein zu verurteilendes Verbrechen, sondern ein Sieg der gefeiert werden soll. ❤️